Moses Mendelssohn

Moses Mendelssohn wurde am 6. September 1729 (nach jüdischem Kalender am 12. Elul 5489) in Dessau geboren. Ursprünglich wird er „Moses Dessau“ genannt. Sein Vater war Elementarlehrer und Schreiber von Torarollen. In seinem Elternhaus wurde das späte West-jiddisch gesprochen. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Mendelssohn als Hausierer. Er fing schon sehr früh an, Moses Maimonides, Talmud und die Bibel zu studieren.

1743 ging Moses Mendelssohn nach Berlin. Er begann Selbststudien von Philosophie, Mathematik, Latein, Griechisch, Französisch und Englisch. 1750 wurde Mendelssohn Hauslehrer bei dem Seidenfabrikanten Isaak Bernhard. Vier Jahre später wurde er Buchhalter in der Seidenmanufaktur. Im gleichen Jahr wurde seine erste moral-philosophische Abhandlung in hebräischer Sprache veröffentlicht. Sein Freund Gotthold Ephraim Lessing, den er im Jahre seiner Ankunft in Berlin kennen gelernt hatte, ließ 1755 Mendelssohns „Philosophische Gespräche“ drucken. 1761 vertraute ihm Isaak Bernhard die Leitung der Seidenmanufaktur an. Ein Jahr später heiratete Moses Mendelssohn Fromet Gugenheim. Ein weiteres Jahr später erhielt er den Status eines Schutzjuden in Preußen. Dies war durch Vermittlung durch den Marquis d’ Argens möglich geworden. Sein letztes Werk, „Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele“, in dem er sich unter anderem mit den Fragen der Zulässigkeit des Selbstmords und der Perfektibilität des Menschen beschäftigt, erschien 1767. Angeregt wurde er durch seinen Freund, den Popularphilosophen Thomas Abbt. In den folgenden zwei Jahren folgten zwei weitere Auflagen.  

 

Mendelssohn (li.) im Gespräch mit seinen Freunden Lessing (Mitte) und Lavater (re.)

 

1768 übernahm Moses Mendelssohn nach dem Tod von Isaak Bernhard dessen Manufaktur zusammen mit der Witwe Bernhard. Seit er letztes Jahr von dem Züricher Pfarrer Johann Kaspar Lavater aufgefordert wurde, „den Beweis des französischen Schriftstellers Charles Bonnet für die Wahrheit des Christentums zu widerlegen oder zum Christentum überzutreten“, hat sich Mendelssohn vorgenommen, sich in den nächsten Jahren verstärkt für die Gleichberechtigung der Juden einzusetzen. Zur Zeit arbeitet er an einem Werk mit dem Titel „Jerusalem oder über die religiöse Macht und Judentum“. Es scheint als ob er seine Vorsätze, für das Judentum einzutreten, in diesem Werk verwirklichen will. Voraussichtlich wird es in den kommenden Jahren veröffentlicht. 1

Andreas Will

 

Moses Mendelssohn, Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele (1767)

Wir haben es [das höchste Wesen] auch nicht gehört, nicht gefühlt; kein äußerlicher Sinn hat uns je einen Begriff von Weisheit, Güte, Vollkommenheit, Schönheit, Denkungsvermögen, u. s. w. zugeführet, und dennoch wissen wir, daß diese Dinge außer uns wirklich sind, in dem allerhöchsten Grade wirklich sind.[...]

 

Wir sind versichert, daß die Erkenntnis der Wahrheit unser einziger Wunsch sey. Aber so lange wir uns hier auf Erden mit dem Leibe schleppen, [...] können wir uns unmöglich schmeicheln, diesen Wunsch ganz erfüllt zu sehen. [...]

 

Wir sehen ja deutlich, daß wir das Ziel unserer Wünsche, die Weisheit, nicht eher erreichen werden, als nach unserem Tode; beym Leben ist keine Hoffnung dazu.[...] Wollen wir uns aber in diesem Leben zu jener seligen Erkenntniß vorbereiten, so müssen wir unterdessen dem Leibe nicht mehr gewähren, als was die Nothwendigkeit erfordert; wir müssen uns seiner Begierden und Lüste enthalten, und uns, so oft als möglich, im Nachdenken üben[...].

 

Dieser Reinigung aber ist nichts anders, als [...] die Bemühung, sowohl in diesem als in dem zukünftigen Leben, die Seele von den Fesseln des Leibes zu befreyen, damit sie ungehindert sich selbst betrachten, und dadurch zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen möge. [...]

 

Bei „Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele“ von Moses Mendelssohn handelt es sich um eine popularphilosophische Schrift. Sie ist in eine Vorrede, eine biographische Beschreibung vom „Leben und Charakter des Sokrates“ und drei Gespräche über die Unsterblichkeit der Seele gegliedert. Stilistisch und inhaltlich sind die fiktiven Gespräche des Sokrates an Platons Dialog „Phaidon“ orientiert.

Es geht hauptsächlich darum, dass die Trennung der Seele vom Körper  Voraussetzung für die reine Erkenntnis der Wahrheit ist. Laut Mendelssohn haben die Menschen noch nie einen Begriff von Weisheit, Güte, Vollkommenheit, Schönheit, Denkungsvermögen erfahren.

 

Diese Begriffe sind jedoch wirklich (Auszug 1). Weiter sagt er, dass der einzige Wunsch des Menschen die Erkenntnis der Wahrheit ist. Man kann, solange man auf der Erde lebt, diesen Wunsch jedoch nie als erfüllt ansehen(Auszug 2). Daher kann man, laut Mendelssohn, die Weisheit erst im Tode erreichen. Um sich darauf vorzubereiten, muss man nachdenken und den Begierden und Lüsten des Körpers widersagen (Auszug 3). Diesen Vorgang bezeichnet Mendelssohn als Reinigung. Diese Reinigung ist notwendig, da sie der Seele hilft, sich vom Körper zu lösen, um nach dem Tode zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen zu können.

 

Anmerkungen der Herausgeber des Nachdrucks:

1 vgl. www.bautz.de/bbkl/m/mendelssohn_m.shtml

www.klausoppermann.de/zeit/biograf/bios/mendelss.htm

www.bsnu.neu-ulm.de/lgnu/lessing/moses.htm

Rainer Baasner, Georg Reichard, MosesMendelssohn. in:  Epochen der deutschen Literatur, Aufklärung und Empfindsamkeit, Stuttgart 2000 (CD-Rom)