Der Blick über den eigenen Tellerrand - Kommunikation

Es ist interessant zu erfahren, wie die Schriftsteller in den letzten 120 Jahren - unserem Betrachtungszeitraum -  in der Lage waren, sich mit ihren Zeitgenossen über ihr aktuelles Schaffen auszutauschen. Dabei ist es auch von Bedeutung zu betrachten, ob die Briefbeförderung im Laufe der Zeit bis in unsere Gegenwart, also das Jahr 1770, Fortschritte gemacht hat.

Die Kommunikation der Schriftsteller untereinander unterscheidet sich kaum von der heutigen im Jahr 1770. Auch damals fand der Austausch der Autoren entweder über direkten Kontakt oder über den Briefverkehr statt.

Der direkte Kontakt wird durch teilweise ausgedehnte Reisen bewerkstelligt, wenn es sich nicht durch Zufall ergibt, dass die Schriftsteller in derselben Stadt beheimatet sind. So ist es oft von Nöten, dass die Autoren beschwerliche Reisen auf sich nehmen, um sich auszutauschen. Wie auch heute waren die Straßen oft in einem miserablen Zustand und behinderten die Reisegesellschaften in ihrem Vorankommen. Zusätzlich muss natürlich ständig Sicherheitspersonal anwesend sein, um die Schriftsteller vor räuberischen Überfällen oder in bekriegtem Gebiet zu schützen. Ein Beispiel für diese reisenden Schriftsteller ist der noch recht unbekannte, aber vielversprechende Johann Georg Forster, der schon in seiner Kindheit mit seinem Vater zu einer Expedition nach Russland aufbrach. Wenn man bedenkt, dass die Reise 4000 km, tief in das Land von Katharinas II.,. führte, wird klar, welche beachtliche Leistungen solche Reisen sind.

 

 

Privater Reisewagen für lange Strecken

 

 

Eine wesentlich angenehmere Form der Reise war der Schiffsverkehr. In der letzten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts und auch noch über die Jahrhundertwende hinaus war diese Form der Fortbewegung sehr beliebt. Es wurden regelrechte schwimmende Häuschen gebaut, um den Reisenden größtmöglichen Luxus zu bieten.

Die weitaus üblichere Form der Kommunikation war jedoch der Austausch per Briefkontakt. Ein Brief wurde von mehreren Boten überbracht, die eine Transportkette bildeten, d.h. nach einer gewissen Distanz wurden Bote und Pferd gewechselt. Seit 1722 arbeitet die Post regelmäßig im ganzen deutschen Reichsgebiet und steht unter der Leitung der Familie der Fürsten von Thurn und Taxis, die schon seit dem 15. Jahrhundert Postrouten betreibt.

Der reichsweite Postdienst wird durch regionale Postlinien ergänzt. Wenn man bedenkt, dass die Schriftsteller teilweise schon damals mehrere Briefe an einem Tag verschickten, erkennt man, was für ein gut organisiertes System dahinter steckte.

 

 

Aktuelle Karte der Postlinien und Poststationen in den deutschen Landen

 

 

Die Postkutsche befördert nicht nur Briefe, sondern auch Reisende

 

 

Ein Beispiel für solch einen Schriftsteller ist Albrecht von Haller, der schätzungsweise 17000 Briefe geschrieben hat. Er besitzt über 1200 Briefkontakte, die sich von Stockholm bis Malaga erstrecken. Dabei gibt er den Briefen oft auch getrocknete Samen und Pflanzen mit, um sich den Rat seiner Botanikerkollegen einzuholen. Dies zeigt, dass der Briefverkehr auch oft dazu genutzt wird, um Meinungen und Verbesserungsvorschläge über eigene Werke zu bekommen, die grade in der Arbeit sind.

Ein anderer Gelehrter, der regen Briefkontakt hegt, ist Immanuel Kant. Auch er steht in engem Kontakt zu Haller und informiert sich über seine Werke.

 

 

Brief Kants an Albrecht von Haller2

 

 

Oft werden Auszüge aus den Briefen auch in Wissenschaftsmagazinen abgedruckt, damit auch das normale Bürgertum Zugang zu den Gedanken der Schriftsteller hat.

Matthias Kau

Längere Aufenthaltsorte von Gelehrten und Schriftstellern in Deutschland

1   Berlin

2   Leipzig

3   Jena

4   Hamburg

5   Hannover

6   Halle/ Saale

7   Frankfurt/ Oder

8   Mainz

9   Karlsruhe

10 Tübingen

11 Göttingen

12 Dessau

13 Langensalza

 

14 Altdorf

15 Quedlinburg

16 Potzdam

17 Friedeburg/ Saale

18 Marburg

19 Helmstedt

20 Holzminden

21 Deensen

22 Wetzlar

23 Ritzebüttel

24 Darmstadt

25 Ober-Ramstadt

 

Barthold Hinrich Brockes

Joachim Heinrich Campe

Johann Christoph Gottsched

Albrecht von Haller

Abraham Gotthelf Kästner

Friedrich Gottlieb Klopstock

Gottfried Wilhelm Leibniz

Moses Mendelssohn

Christoph Friedrich Nicolai

Christian Thomasius

Christian Wolff

 

 

 

Europäische Kontakte deutscher Gelehrter

1 Kopenhagen

2 Paris

3 London

4 Basel

5 Bern

6 Deutschland (allgemein)

7 Genf

Gottfried Wilhelm Leibniz

Johann Georg Adam Forster

Barthold Hinrich Brockes

Friedrich Gottlieb Klopstock

Christian Wolff

Albrecht von Haller

Anmerkungen der Herausgeber des Nachdrucks:

1 Übertragung des Briefes von Immanuel Kant an Albrecht von Haller:

Mein Herr.

Die Gedancken von der wahren Schätzung der leb. Kr. davon
Ihnen ein Exemplar zu überschicken die Ehre habe mögen durch die
Wichtigkeit ihres Vorwurfs die Freyheit rechtfertigen die ich mir nehme
Sie zu ersuchen diese Abhandlung anzukündigen und wo sich die Aus-
führung derselben dieser Ehre nicht gäntzlich unwürdig macht die Welt
zu einer genauen und unpartheyischen Untersuchung derer darinn
vorgetragenen Gründe aufzumuntern. Die wichtige Sache der wah-
ren Kräftenschätzung darauf in der Naturlehre so vieles ankommt er-
fordert es wenigstens daß die Bemühung der Deutschen die in
Absicht auf diesen Punckt eingeschlafen zu seyn scheinet zu
einer endlichen Entscheidung derselben aufgeweckt werde.

Der Druck dieses Werckchens ist in diesem Iahre nur geendiget obgleich
der Anfang nach Anzeige des Tittels schon 1746 gemacht worden
an welcher Verzögerung sowohl öftere Verhinderungen als auch meine
Abwesenheit Schuld gewesen ist.

Ich habe noch eine Fortsetzung dieser Gedancken in Bereitschaft
die nebst einer fernern Bestätigung derselben andere eben dahin
abzielende Betrachtungen in sich begreifen wird. So bald diese
wird im Drucke erschienen seyn werde die Ehre haben sie
Ihnen gleichfalls zu überschicken. Ich bin

Mein Herr,

Judtschen d. 23. Aug. 1749

Dero

ergebenster Diener

I. Kant

2 www.uni-marburg.de/kant/webseitn/k_haller.htm